Vestische startet in die Verkehrswende

Vestische startet in die Verkehrswende

Martin Schmidt (Geschäftsführer der Vestischen), Bernd Tischler (Oberbürgermeister Bottrop), Harald Nübel (stellvertretender Landrat des Kreises Recklinghausen) und Holger Becker (Prokurist der Vestischen) (v. l.).

Abfahrt in Richtung Zukunft: Der Aufsichtsrat hat die Vestische beauftragt, trotz der Coronakrise die Verkehrswende einzuleiten und das Angebot des ÖPNV-Anbieters massiv auszuweiten. Außerdem soll das Unternehmen ein weiteres Mal die Potenziale der Wasserstofftechnologie mit entsprechenden Bussen und dazugehörigen Tankstellen testen.

Der 25. Juni 2020 markiert in der Unternehmensgeschichte der Vestischen Straßenbahnen GmbH einen Paradigmenwechsel. Der Aufsichtsrat hat die Ampel auf Grün gestellt und den Auftrag erteilt, die Verkehrswende einzuleiten. Dies bedeutet insbesondere, das Angebot deutlich zu erhöhen. Der Verkehrsbetrieb aus Herten wird zukünftig Takte von Schnellbuslinien und städteübergreifenden Strecken verdichten. Außerdem beteiligt er sich an Linien des sogenannten Regionalen Schnellbusnetzes, das der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auch auf Initiative der Vestischen entwirft. Das Netz soll die Nord-Süd-Achsen des Ruhrgebiets stärken und schienenferne Orte an den SPNV anbinden.

Pro Jahr 2,6 Millionen Kilometer mehr

Insgesamt bedeuten diese Maßnahmen, dass das Unternehmen im Kreis Recklinghausen, in Bottrop und im Norden Gelsenkirchens jährlich 2,6 Millionen Kilometer mehr fahren soll. Im vergangenen Jahr betrug die Gesamtleistung der Vestischen rund 19,6 Millionen Kilometer. Die Belegschaft würde demnach um mehr als 100 Busfahrer*innen wachsen, womit die Bedeutung und Verantwortung der Vestischen als Arbeitgeber in Herten und der Emscher-Lippe-Region deutlich steigen wird.

Inwieweit der ÖPNV im Vergleich zum Pkw attraktiver und schneller gestaltet werden kann, lässt die Vestische zudem durch Machbarkeitsstudien über exklusive Busspuren und Vorrangschaltung von Ampeln überprüfen.

Rund 120 neue Busse mit Euro VI-Norm

Um zukünftigen Anforderungen gewachsen zu sein, beschafft das Unternehmen bis 2025 rund 120 neue Busse. Die Flotte der Vestischen wird dann komplett auf die Abgasnorm Euro VI umgestellt sein. Was die lokalen Emissionen anbelangt, stoßen die neuen Wagen 10 bis 15 Mal weniger Stickoxide aus als Fahrzeuge mit der Norm Euro V. Angesichts eines um 10 Prozent niedrigeren Kraftstoffverbrauchs verursachen sie weniger CO2 und sind damit klimaverträglicher. Zudem betankt der Verkehrsbetrieb ab 2022 alle neu beschafften Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen und erfüllt damit den Status „sauberes Fahrzeug“ gemäß der europäischen Clean Vehicles-Richtlinie. Der Einsatz dieser Treibstoffe reduziert die Emission von Stickoxiden um bis zu 20, den Ausstoß von Feinstauben um nochmals bis zu 10 Prozent und hat das Potenzial zur Klimaneutralität.

Wasserstoffbusse und Tankstellen

Darüber hinaus erweitert die Vestische in einem ersten Schritt ihren Fuhrpark um fünf emissionsfreie Wasserstoffbusse und investiert im Sinne des Vestischen Klimapakts des Kreises Recklinghausen in die weitere Erprobung dieser Technologie. Dabei nutzt der Verkehrsbetrieb den Standortvorteil in seiner Heimatstadt. Weil in unmittelbarer Nähe zum Betriebshof in Herten eine Wasserstoff-Pipeline verläuft, wird das Unternehmen dort eine eigene Tankanlage errichten, ohne das Gas lagern zu müssen. Dies erfordert außerdem, die Infrastruktur der Werkstatt anzupassen. Am Betriebshof in der Innovation City Bottrop wird ebenfalls eine Wasserstoff-Tankstelle entstehen, diese wird mittels Lkw-Trailern beliefert.

Das Unternehmen kann so prüfen, inwieweit es die Antriebstechnik für den regionalen ÖPNV nutzbar machen sowie effizient und zukunftsweisend gestalten kann. Bereits 2009 bis 2014 hatte die Vestische mit dem Betrieb von zwei Brennstoffzellen-Hybridbussen Pionierarbeit geleistet. Der Testbetrieb lief im Rahmen des europäischen Forschungsprogrammes „HyChain“.

Millionen-Invesitionen

Insgesamt wird das Investitionsvolumen in die Wasserstoff-Technologie 10,5 Millionen Euro umfassen, wobei die Busbeschaffung zu 80 Prozent und die infrastrukturellen Baumaßnahmen zu 90 Prozent zwingend durch öffentliche Fördermittel abgedeckt werden müssen. Um mit der Mobilitätswende die Lebensqualität der Menschen in der Region nachhaltig zu verbessern, plant die Vestische, ab 2023 pro Jahr rund
7,2 Millionen Euro investieren.

Zitate zum Aufsichtsratsbeschluss der Vestischen vom 25. Juni 2020:

Harald Nübel, stellvertretender Landrat des Kreis Recklinghausen und Vorsitzender des Kreisverkehrsausschusses: „Es ist dringend an der Zeit zu handeln: Die Klima- und Verkehrswende sind zu wichtig, als dass sie an Corona sterben dürfen.“

Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop: „Eine sinnvolle Angebotsverbesserung, verknüpft mit dem Einsatz technischer Innovationen, stellt eine große Chance dar, um gestärkt aus der aktuellen Coronasituation herauszukommen und gleichzeitig die gesellschaftlich notwendige Verkehrswende anzugehen.“

Martin Schmidt, Geschäftsführer der Vestischen: „Ich bin heilfroh, dass die Verkehrswende trotz der Coronakrise Fahrt aufnimmt. Was wir alle vor der Pandemie als richtig und dringend notwendig erachtet haben, ist nämlich nun ebenso geboten: Unsere Region braucht eine Angebotswende, damit der Bus attraktiver als das Auto wird. Wir müssen gestärkt aus der Coronakrise gehen, und ich bin mir sicher, dass wir das mit diesem Bündel an Maßnahmen können.“